Festtage auf hoher See vor dem Absprung nach Afrika

Geposted am 11 January, 2019 von Chris

Weihnachten, Jahreswechsel und Dreikönigstag auf See – in den letzten drei Wochen gab es mehr als genügend Gründe um zu feiern! Auf einen mit Kerzen geschmückten Weihnachtsbaum haben wir allerdings verzichtet - den Lehrgang Brand im Schiff haben wir ja bereits im Oktober absolviert. Stattdessen passen wir uns mit Chlausen-Mützen, Weintrauben und einem Goldring den Bräuchen der Spanier an und hören über Kurzwellenfunk Weihnachtsgrüsse ab. Am 1. Januar dann die Überraschung: Jemand hat in der Silvesternacht einen hinterhältigen Farbanschlag auf Mauna Loa verübt!

Die letzten drei Wochen standen fast überall im Zeichen der Festtage – auch bei uns. Vom Vorweihnachtsstress und der kommerziellen Ausschlachtung der Geschenke-Tradition durch Grossanbieter bekamen wir erfreulicherweise aber wenig mit. Stattdessen konnten wir uns vielmehr auf die Naturschönheiten und das Feiern an sich einlassen und einige tolle Orte Südspaniens entdecken. Und dabei haben wir wieder einiges erlebt.

Im letzten Blogeintrag haben wir euch erzählt, wie wir kurz vor Weihnachten von Alicante ans Mar Menor segeln. Der Aufenthalt dort lohnt sich absolut! Bereits die Einfahrt durch den Kanal mit Klappbrücke ist den Ausflug wert. Allerdings bereitet uns die Brücke auch gehörigen Nervenkitzel: Kaum ist sie auf, kommt über Funk schon wieder die Meldung, sie würde schliessen! Von wegen 10 Minuten lang geöffnet, wie wir informiert worden sind. Es bleibt also nicht viel Zeit, Mauna Loa mit ihrem riesigen Mast unter der geöffneten Fahrbahn durchzubringen, weshalb Reto mal kurz de Gashebu ufe Tisch legt und unsere Hauptmaschine samt Turbo Mauna Loa ins Mar Menor katapultiert. Dort geht es dann gemächlich zu: Bei völlig flachem Wasser und nur sehr wenig Wind gondeln wir unter Genua über den See. Ich kann währenddessen sogar die Hängematte auf dem Vorschiff aufspannen und mich gemütlich einem Buch widmen. Diese verlasse ich erst wieder, als die Jungs Mauna Loa geankert haben – wobei sie den Anker mit spitzbübischem Grinsen gleich unter Segel ausbringen.

Nebst prächtigen Sonnenauf- und -untergängen bietet die Gegend auch andere Sehenswürdigkeiten, beispielsweise die riesigen Salinen. Diese wurden bereits vor Hunderten von Jahren genutzt und sind noch immer in Betrieb. Das finden nicht nur wir, sondern auch viele Vögel interessant. Wir machen uns auf die Suche nach Flamingos, die ich so gerne sehen würde. Die erste Sichtung ist allerdings ein Fehlalarm: Bei näherer Betrachtung sind es auf Stangen sitzende Tauben. Umso glücklicher bin ich, als wir die Stelzviecher doch noch aufspüren und von recht nah beobachten können.

Die Region hat auch zwei interessante Städte zu bieten: Cartagena und Murcia. Cartagena beeindruckt uns mit ihrem römischen Theater und sehr lebhaften Gassen mit vielen Tapas-Bars. Murcia besuchen wir am Vormittag des 24. Dezember und geraten mitten in einen Umzug: Die Ankunft des Weihnachtsmannes! Dieser verteilt auf einem mit Rentieren verzierten und von einem Traktor gezogenen Wagen Geschenke und wird begleitet von einem halben Duzend Kinder-Tanzgruppen. Die Gassen sind zum Bersten voll, jeder will am festlichen Event teilhaben. Wir machen es wie die Einheimischen und mischen uns mit Chlausen-Mützen getarnt unter die Meute. Diese Chlausen-Hüte sind in Spanien ganz hoch im Kurs: Schon den ganzen Dezember lang waren immer und überall Leute damit zu sehen. Wobei es wahrlich nicht nur die Kinder waren, die Freude daran zu haben schienen. Mätthu hat die völlig unauffällige Kopfbedeckung schliesslich auch für die Mauna Loa Crew organisiert: „E chli Wiehnachte mues schliesslech scho si!“, meinte er.

Murcia hat ausser dem Umzug auch sonst einiges zu bieten: Die Kathedrale ist ebenso interessant wie das im maurischen Stil erbaute Casino und etliche andere Kirchen. Und nicht zu vergessen natürlich eine kulinarische Spezialität der Region: Chocolate con Churros. Das fritierte Gebäck wird dabei in mit heisser Schoggi gefüllte Tassen getaucht deren Inhalt so dickflüssig ist, dass der Löffel darin steht. Idealerweise geniesst man es in einer der Beizen am Platz vor der Kathedrale und beobachtet dabei die Leute im Weihnachtsstress – eine äusserst entspannende Tätigkeit, wenn man selbst keine Geschenke kaufen muss.

Gegen Abend des 24. Dezember verlassen wir mit Mauna Loa das Mar Menor – die Klappbrücke kann uns diesmal nicht mehr schocken. Etwa eine Seemeile ausserhalb lassen wir den Anker fallen. Hier werden wir Heiligabend feiern, unter den Sternen. Und um Mitternacht unsere Fahrt nach Málaga starten. Noch ist absolute Flaute, doch das soll sich gemäss Prognosen schon bald ändern. Bis es soweit ist haben wir Zeit um Weihnachten zu feiern. Mätthu kocht eine leckere Kürbissuppe, Reto backt Zimtsterne und ich schmücke das Schiff. Wir haben uns für Kugeln aus Plastik und Schoggisamichläuse entschieden – da kann auch bei üblem Seegang nichts kaputt gehen. Als Hauptspeise gibt es Raclette – ein echter Festschmaus. Dazu hören wir über unser Kurzwellenfunkgerät die Sendung „Grüsse an Bord“ vom Norddeutschen Rundfunk. Jedes Jahr an Heiligabend werden auf diesem Weg Weihnachtsgrüsse an Seemänner und –frauen in aller Welt versendet, dazu gibt’s weihnächtliche Musik und sogar die Christnachtfeier wird übertragen. Stille Nacht aus dem Funkgerät – es ist richtig heimelig im Schiff.

Gegen Mitternacht geht’s schliesslich los: Wir setzen Segel mit Ziel Málaga. Zwei Tage lang sind wir unterwegs und bekommen dabei Begleitung von Delphinen und sogar Grindwalen. Was für ein Weihnachtsgeschenk, Besuch von diesen Meeressäugern zu erhalten! Am Abend des 26. Dezember erreichen wir nach zwei Tagen Rückenwind müde aber zufrieden unser Ziel und lassen am Sandstrand Málagas den Anker fallen.

Nebst Málaga besuchen wir in den folgenden Tagen auch Granada, bevor wir das nächste gute Windfenster nutzen, und uns Ende Jahr nach Gibraltar treiben lassen. Der berühmte Felsen ist selbst nachts schon von weitem auszumachen, während wir Slalom um geankerte oder sich treiben lassende Frachtschiffe fahren. Dabei gibt’s auch einiges zu lachen: Wenn sich russische und chinesische Frachter am Funk in Englisch zu unterhalten versuchen sind witzige Gespräche vorprogrammiert.

Während wir Mauna Loa in der Marina von La Línea (der spanischen Grenzstadt) sicher verwahrt glauben feiern wir Silvester im etwa 30 Autominuten (= 2 Busstunden) entfernten Estepona. Matthias Eltern weilen dort in den Ferien und haben uns zu sich eingeladen. Wir feiern wie die Spanier: Um Mitternacht muss zu jedem der zwölf Glockenschläge eine Weintraube gegessen werden. Wenn man es schafft, bringt das neue Jahr viel Glück. Gar keine einfache Aufgabe so schnell Weintrauben zu essen, aber nach der Pechsträhne im 2018 brauchen wir das Glück unbedingt! Wir schaffen es alle rechtzeitig. Übrigens: Gemäss Internetrecherche schlägt die Kathedrale in Madrid an Silvester extra langsam, damit möglichst viele Spanier es schaffen ihre Weintrauben zu essen! Um noch mehr Glück zu haben, werfen die Einheimischen ausserdem Goldringe in ihre Sektgläser, ein Brauch den wir ebenfalls feiern. Auch wenn es bedeutet, dass wir dazu extra einen günstigen Modeschmuck-Goldring organisieren mussten – das zusätzliche Glück ist es uns wert.

Als wir am Abend des 1. Januar zurück zu Mauna Loa kommen wartet eine Überraschung auf uns: Das Deck, Fenster, Fender und Steg sind backbordseitig über und über mit weissen Farbklecksen übersäht! Eine riesige Sauerei. War es eine hinterhältige Sabotage? Oder ein Zwischenfall auf dem mittlerweile verschwundenen Nachbarboot? Die herbeigerufenen Marineros wissen auch keinen Rat. Erst zwei Tage später, als ein anderes Boot das gleiche Schicksal erleidet, kommt uns ein Verdacht, den eine Recherche im Internet bestätigt: Die Sauerei auf unserem Schiff ist Kormoran-Kacke. Gestank und Spurbild passen eindeutig. Wie es die Tiere allerdings geschafft haben, innerhalb von nur wenigen Stunden unser Boot mit ihren Ausscheidungen so zu übersähen ist uns ein Rätsel. Möglicherweise haben sie sich über die Festtage den Magen verdorben…

Nach diesem Zwischenfall wechseln wir in eine Marina nach Gibraltar. Unser Boot liegt etwa 150 Meter neben der Piste des Flughafens, so dass wir einige Male am Tag ein Spektakel geboten bekommen. Übrigens nicht nur wir: Die einzige Strassenverbindung von Spanien nach Gibraltar führt einmal quer über die Piste. Jedes Mal wenn ein Jet kommt, werden die Barrieren geschlossen und somit der Verkehr für einige Minuten unterbrochen. Ist der Flieger gestartet / gelandet, geht alles wieder den gewohnten Gang, als wäre nur gerade ein Regionalzug durchgefahren.

Hier erledigen wir einige anstehende, kleinere Wartungsarbeiten und bereiten uns auf unsere Weiterreise nach Marokko vor. Ausserdem besuchen wir die berühmten Affen auf dem Fels von Gibraltar und decken uns mit zollfreiem Alkohol und Diesel (59 Penny/l, also 75 Rappen/l) ein.

Bis das perfekte Windfenster kommt bleiben uns schliesslich noch zwei Tage Zeit für einen Ausflug nach Sevilla. Die Stadt mit ihren vielen historischen Gebäuden ist wirklich einen Besuch wert! Nur schade, dass die Bier-Bar bereits um Mitternacht ihre Pforten schliesst und uns rauswirft.

Nun durchsegeln wir bei erstaunlich gemütlichen Bedingungen gerade die Strasse von Gibraltar und weichen grossen Frachtkähnen aus. Nächstes Ziel ist Rabbat. Wenn alles gut läuft, sollten wir spätestens am Sonntag die Marina anlaufen. Wenn ihr diesen Text lest, sind wir also wahrscheinlich schon in Marokko angekommen und verdauen erst einmal den Kulturschock. Wie es uns dabei geht, werden wir euch im nächsten Blogeintrag erzählen.

Euch allen: Es guets Nöis!

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